Kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges
Hans Schäfer ist in der Schreibstube und bekommt das Unternehmen Barbarossa - das streng geheimgehalten wurde und nur dem Führungsstab bekannt war, durch einen Trick mit.
Lesen Sie hierzu auszugsweise aus seinen Kriegserinnerungen folgendes:
In Muenchen war es schon frühlingshaft warm als ich mich Anfang März auf den Weg machte (vorher Urlaub) Über Berlin und Königsberg erreichte ich um 4 Uhr morgens mein Ziel. Es war noch Nacht, ausser mir war niemand ausgestiegen und zu sehen. Im Dunkeln in einer fremden Stadt nach meiner Einheit zu suchen wäre sinnlos gewesen. Darum legte ich mich im Wartesaal auf eine Bank und wartete den Tag ab. Dann machte ich mich auf die Suche. Als erstes stellte ich fest, dass es hier noch Winter war. Dann schlenderte ich durch die Stadt und hoffte, dass ich um 7 Uhr ein bekanntes Gesicht beim Antreten höre oder sehe. In einem Schulhof fand ich sie beim Morgenappell. Sie waren auch erst vor zwei Tagen angekommen und fast eine Woche auf Rädern gewesen.
Was wir hier sollten wusste keiner zu enträtseln. Als ersten gelang das mir durch eine List. Was zum Schreiben nötig war, hatten wir. Dazu gehörte auch Durchschlagpapier. Eines Tages verlangte unser Adjudant, dass ich ihm die Schreibmaschine mit eingezogenem Bogen und mit 9 Durchschlägen bringe. Warum muß ich das nicht schreiben, fragte ich mich, da muß doch etwas Besonderes sein? Ich bereitete das Gewünschte vor, mit neuem Durchschlagpapier. Das bekam ich wieder zurück und konnte mit einem Spiegel die Geheimsache „Unternehmen Barbarossa“ entziffern. Nun wusste ich zwar was da gespielt wurde, hütete mich aber davon etwas zu verraten.
Der abweisende Eindruck den das Städtchen bei meiner Ankunft machte, änderte sich sehr bald. Die Ostpreussen waren gar nicht so stur wie man ihnen nachsagte. Die Mädchen waren sogar besonders nett zu uns Bayern. Sie konnten sich zwar auch nicht denken was wir hier bei ihnen wollten aber sie waren froh, dass sich endlich mal etwas rührte in dem verträumten Städtchen. Wir wurden in Privatquartieren untergebracht. Ich hatte ein schönes Treppenzimmer bei einem Lehrerehepaar. Er war ein schwerfälliger Ostpreusse, sie eine lebhafte Sächsin. Wenn sie mich beim nachhausegehen sah, lud sie mich ein in ihre Wohnung auf ein Schnäpschen. Sie war einmal in München gewesen und schwärmte noch immer von der Stadt. Sie wollte Unterhaltung, ihr Mann war auf mich eifersüchtig, das merkte ich bald. Der Schnaps, den er auf ihren Wunsch mir einschenkte, tat ihm sehr leid. Ich nützte das bestimmt nicht aus sondern schlich mich meist still an der Wohnungstür vorbei, aber immer gelang mir das nicht. Bald knüpften sich im Städtchen zwischen Bayern und Preussen die ersten zarten Bande an. Die Ostpreussen feierten gerne Feste, die Bayern auch und gaben dazu Gelegenheit. Einmal hatte der Geburtstag und einmal der. Gestimmt hat das nicht immer.
Nach einiger Zeit wurden wir, zu unserem Leid, wieder verlegt. Noch etwas näher zur Grenze hin. Die Vorbereitungen waren schon so deutlich auf einen Angriffskrieg, dass es nicht mehr verheimlicht werden konnte. Die Grenze wurde mit Bretter vernagelt, durch die Wälder neue Straßen angelegt, an den Flüssen Brückenmaterial bereitgestellt. Nachts wurde es auf den Straßen lebendig. Truppen aller Waffengattungen marschierten in Richtung Grenze und tarnten sich am Tage in den Wäldern. Durch Zufall, diesmal ohne Absicht, erfuhr ich auch den Angriffstag. Ich wollte nicht daran glauben. Wenn ich mir auf der Karte das riesige russische Reich betrachtete, dann kroch die Angst in mir hoch. Ich musste dabei an Napoleon denken, der bei seinem Versuch das Reich zu erobern, kurz vor dem Ziel eine Niederlage einstecken musste. Unser größenwahnsinniger Fuehrer glaubte an einen schnellen Sieg über diese Untermenschen, wie er die Russen bezeichnete.
Zu dieser Zeit änderte sich auch mein Dienst beim Stab. Ich hatte mir bei einer Urlaubsfahrt eine Bindehautentzündung geholt, die immer schlechter wurde. Alle ärztlichen Behandlungen brachten keinen Erfolg. Diese Augenentzündung nahm ich als Vorwand, um vom Schreibstubendienst loszukommen. Da beim Verpflegungstroß ein Mann wegen Veruntreuung entlassen werden musste, fiel die Wahl auf mich. Ich freute mich über die neue Tätigkeit. Ein Besuch in der Augenklinik von Königsberg und die Gewaltkur eines Arztes dort, brachte mir auch Heilung. Bald darauf kam ein Telegramm von meiner Frau, dass ihre Mutter gestorben sei. Damit kam ich noch zu einigen Tagen Sonderurlaub. Es war kurz vor dem Beginn des Ostfeldzuges.
Der Datum des Überfalls war mir bekannt. Es gab viel Arbeit in der Schreibstube und ich musste noch aushelfen um alle Befehle zu schreiben. Dabei bekam ich das Wagnis dieses Unternehmens mit. Die deutsche Wehrmacht glaubte, die Bevölkerung würde keinen Widerstand leisten, sondern die deutschen Truppen als Befreier begrüßen. Über die Stärke des Feindes und die Straßenverhältnisse des riesigen Reiches war wenig bekannt. Nur, dass unsere Truppen genau um 3.05 Uhr, mit allen Waffen angreifen würden, stand fest. Kurz vorher war noch ein Appell. Mit dem Führerbefehl begann das große Drama.
Nachlese
Ein Tag der Erinnerung. Vor 50 Jahren war ich dabei als beim Morgengrauen der Angriff auf Russland begann. Wir waren ganz nahe an der Litauischen Grenze im Quartier. Ich war in der Schreibstube des Pionierbataillons 674 als Gefreiter tätig (aushilfsweise) und wusste Bescheid was kommen wird. Zum Schlafen kam ich diese Nacht nicht, die Befehle waren umfangreich und mussten rechtzeitig an die Kompanien kommen. Die warteten an der nahen Grenze darauf.
Mir war als träume ich und das was ich hier in zehnfacher Ausfertigung aufs Papier tippte, sei der Anfang eines Kriegsromans. Als die Melder damit abzogen war für mich eine kleine Verschnaufpause. Dann hieß es antreten. Das, was mir schon bekannt war, wurde als Battaillonsbefehl vorgelesen und damit auch der Marschbefehl erteilt. In diesen Minuten zogen die Kampflugzeuge über uns hinweg und die ersten Schüsse hörte man. Der Krieg hatte gegen, die Großmacht Russland angefangen.
(jetzt wieder beim Verpflegungstroß)